Flüchtlingspolitik

Flüchtlingspolitik in der BRD

Nach Ansicht des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) sind über 40 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Politisch Verfolgte, Frauen, die aus geschlechtsspezifischen Ursachen (Genitialverstümmelungen, Vergewaltigung....) fliehen, Bürgerkriegsflüchtlinge .....
Immer mehr Menschen nehmen immer größere Entfernungen in Kauf und versuchen, in die sogenannten „Wohlstandsinseln„ des Nordens oder Westens zu gelangen, weil ihnen keine andere Wahl bleibt. Kein Mensch wandert ohne Not aus, niemand ohne Hoffnung. Industriestaaten reagieren in Zeiten vermeintlich offener werdender Grenzen und gemeinsamer Märkte darauf nur hilflos mit dem Versuch einer wachsenden Abschottung. „Offene Grenzen„ und „gemeinsame Märkte„ – sie gelten nur für diejenigen, die sowieso zu den Begünstigten zählen, nicht für die Millionen sogenannter „Habenichtse„. Der Reichtum der Wenigen läßt sich jedoch immer weniger gegen die Armut der Vielen abschotten. Und so wird versucht, im Widerspruch zu den Grundgedanken des Asylrechtes, die „Guten„ von den „Schlechten„ zu trennen; eine kapitalismus-typische Verwertungslogik, in der nicht der Bedürftige, sondern nur der „Nützliche„ vom Kuchen des Wohlstandes ein paar Krümel abbekommt.

Anhand des bundesdeutschen Asylrechts ist dies sehr gut erkennbar:
Am 23.Mai 1949 trat das Grundgesetz der brd mit dem Artikel 16 „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht„ in Kraft. Diese Bestimmung wurde infolge des deutschen Faschismus geschaffen. Im vollen Bewußtsein der Tragweite dieser Entscheidung normierten sie den individuellen, uneingeschränkten und einklagbaren Rechtsanspruch politisch verfolgter auf Gewährung von Asyl durch die Bundesrepublik Deutschland – und zwar im Rang eines Verfassungsrechts.
Da aus Sicht des damaligen Innenministeriums „die Notwendigkeit einer verstärkten Überwachung der Ausländer im Bundesgebiet„ (Originalzitat) gegeben sei, wurde 1953 das „Ausländerzentralregister„ in Köln eingerichtet. Ebenfalls wurde in diesem Jahr eine Asylverordnung erlassen und eine „Bundesprüf-
stelle für ausländische Flüchtlinge„ geschaffen. Asylsuchende aus den Staaten des „Ostblocks„ wurden von BND und anderen Inlands-Überwachungsorganen abgeschöpft, die Bundesprüfstelle selbst erschien wie ein Tummelplatz in--und ausländischer Geheimdienste. Die Ausländerbehörden prüften auf Grundlage einer Ausländerpolizeiverordnung aus dem Jahre 1938, ob eine politische Verfolgung im Sinne des Grundgesetzes vorlag. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt....
Erst infolge des Mangels an Arbeitskräften ersetzte man diese Arbeitsrichtlinien im Jahre 1965 durch das Ausländergesetz. Aus der Bundesstelle wurde das „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge„, welches seitdem die Entscheidungsinstanz für die Asylanerkennung darstellt(e). 80-90% der Asylsuchenden kamen bis dahin aus Staaten wie der Teschoslowakei, Ungarn, Polen und Jugoslawien und galten angesichts der Blockkonfrontation im Westen als „echte Flüchtlinge„.





Die Zeit des Anwerbestopps 1973 bis zur Novellierung des Asylverfahrensgesetzes 1982 kennzeichnet den Übergang von einer weitgehend unbeachteten Existenz des Asylrechts zu einer politisch aufgeladenen
Rhetorik der Abschreckung. Als immer weniger Schutzsuchende aus den „Ostblockstaaten„ und dafür zunehmend Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika kamen, wurde die „Asylfrage„ politisiert. Als infolge des Militärputsches in der Türkei im Jahre 1980 die Zahl der von dort kommenden Asylsuchenden um nahezu 90% stieg, führte die SPD-FDP-Regierung die Visumspflicht für die Türkei ein. Die Liste der visumspflichtigen Länder wurde im Laufe der Zeit immer länger. UNHCR-Vertreter kritisierten diese Abschottungsmaßnahme, da es sich bei dem Visumszwang um einen „geographischen Vorbehalt„ für ein doch unbeschränktes Grundrecht handele. Auch bei Flüchtlingen aus „dem Ostblock„ veränderte sich nun der Umgang. Nach Verhängung des Ausnahmezustandes in Polen im dezember 1981 flohen etwa 250.000 Menschen in den Westen, die brd bestand weiterhin auf einer Visumspflicht....

1980 brannten die ersten Flüchtlingsheime in Deutschland, die Sinusstudie bescheinigte 1981 13% der wahlberechtigten Bundesbürger ein „ideologisch geschlossenes rechtsextremes Weltbild„, mehr als 6% hatten keine Probleme mit rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten. Die Zahl von Anfeindungen und tätlichen Angriffen wuchs in dieser Zeit einhergehend mit der systematischen Stimmungsmache gegen Migranten und Flüchtlinge an. In dieser angeheizten Stimmung wurde dann am 16.Juli 1982 das Asylverfahrensgesetz verabschiedet. Asylsuchende werden nun in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, statt Geld erhalten sie Sozialleistungen wie z.B. Einkaufsgutscheine. Ebenfalls unterliegen sie nun der Residenzpflicht. Eine Sonderform des „Wohnens„ wurde geschaffen, vielfältig in ihren Ausprägungen: Großlager in Kasernen und Holzbaracken, „Notunterkünfte„ in Bunkern, ausgeräumte Fabrikhallen, Hotels, Pensionen, Schiffe und Zelte. Die damalige Leiterin der UNHCR sagte, daß die brd damit „ in Europa einmalige Abschreckungsmaßnahmen gegen Asylsuchende„ getroffen habe.

Doch die Hetze nahm kein Ende. Kurz nachdem Helmut Kohl 1982 die Regierungsverantwortung übernommen hatte, faselte er auch schon von einer „zu großen Anzahl von Türken„ in Deutschland, die halbiert werden müßte. Sein damaliger Innenminister Friedrich Zimmermann schürte die Stimmung mit seinem am 1. März 1983 vorgelegten „Ausländerbericht„, in dem mehr von illegal einreisenden, kriminellen und das soziale Netz mißbrauchenden Nicht-Deutschen die Rede war als von Integration, weiter. Die Argumentationsrichtung gegen das bestehende Asylrecht wurde fixiert, der „Spiegel„ titelte Mitte der 80er „das Boot ist voll„, was schließlich zum Wahlspruch nicht nur „schwarzer„ Politiker geworden zu sein schien.
Die Fluchtwege in die brd wurden zunehmend weniger, Flüchtlinge nutzten deshalb mittlerweile vermehrt die Möglichkeit, visumfrei nach Ostberlin zu fliegen. Schweden und Dänemark hatten bereits mit der DDR eine Vereinbarung getroffen, um eine Weiterreise nach Skandinavien zu verhindern und so blieb einzig der Weg nach Westberlin offen, denn die Grenzbeamten der NVA winkten Flüchtlinge durch. Am 1. Oktober 1986 trat durch tatkräftige Vermittlung der SPD-Opposition eine Transitvisa-Bestimmung der DDR in Kraft, der Fluchtweg war somit geschlossen.
Während auf den Straßen die rassistische Gewalt zunahm, beschloß die Bundesregierung ein Bündel neuer Maßnahmen zur „Eindämmung des unkontrollierten Zugangs„. Abschiebungen sollten erleichtert, neue Ausschlußgründe für Asylverfahren geschaffen und das Arbeitsverbot für Asylsuchende auf fünf Jahre erweitert werden. Im Januar 1987 beschloß der Bundestag –gegen die Stimmen der „Grünen„-Fraktion die entsprechenden Gesetze.
Mit dem Ende der deutschen Zweistaatlichkeit 1990 kamen Aussiedler, neue Asylsuchende aus Osteuropa und ab 1992 zunehmend Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien. Die schon seit einiger Zeit schwelende Diskussion um eine diesbezügliche Grundgesetzänderung gewann an neuer Dynamik und Schärfe.
Der Bundestag beschloß, künftig auch die „neuen Bundesländer„ in die Verteilung von Asylsuchenden einzubeziehen, ohne jedoch für eine entsprechende Infrastruktur gesorgt zu haben. Die Sicherheitslage für die wenigen Nichtdeutschen in den NFL war ohnehin katastrophal, die Stimmung dadurch nun völlig angeheizt. 1992 wurden laut Verfassungsschutzbericht 2.584 Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund registiert, 74% mehr als ein Jahr zuvor. Rund 90% der registrierten Anschläge und Übergruffe, bei denen eine rechtsextremistische Motivation „angenommen„ wurde oder erwiesen war, richteten sich gegen Ausländer, Asylbewerber und ihre Unterkünfte. Solingen, Rostock-Lichtenhagen und Mölln waren hier nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges.
Anstatt Maßnahmen gegen die Täter und Verursacher von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ergreift die Politik jedoch Maßnahmen gegen Migranten und Flüchtlinge: am 26. Mai 1993 schafft der Deutsche Bundestag das Grundrecht auf politisches Asyl aus Artikel 16 GG faktisch ab. Dies bedeutet eine massive Eindämmung der Rechte von Flüchtlingen und eine Aushöhlung des Flüchtlingsschutzes. Asylsuchende, die nun aus sogenannten „sicheren Drittländern“ einreisen, und das sind (praktisch) alle an die brd grenzenden Staaten, werden dorthin zurückgeschoben. Der BGS ist berechtigt, Flüchtlinge
an der Grenze umgehend zurückzuweisen. Im Zuge der Grundgesetzänderung wurde auch das sogenannte
„Asylbewerberleistungsgesetz“ verabschiedet, das am 1. November 1993 in Kraft trat. Asylsuchende wurden aus dem Bundessozialhilfegesetz ausgegliedert, ihre Leistungen um 25% gekürzt. Bis auf ein knappes taschengeld sind Leistungen als sachleistungen zu gewähren, Antragssteller verpflichet, bis zu sechs Wochen in der ihnen zugewiesenen
Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Das Bundesinnenministerium kann im Februar 1994 in seinem ersten
„Asyl-Erfahrungsbericht“ die Auswirkungen dieser Politik vorweisen: die Asylzahlen sind stark rückläufig, die Verfahren werden beschleunigt und die Zahl der Abschiebungen steigt an. Während die Zahl der Flüchtlinge abnahm, wurde die Abschiebelogistik massiv ausgebaut, die Mittel für die tägliche Abschiebepraxis erhöht. So erhielt
beispielsweise der Bundesgrenzschutz eine Reihe neuer Jagdmittel: vom geländegängigen Fahrzeug über Schnellboote bis hin zu Warmbildgeräten, verbunden mit einer 18% igen Erhöhung des Personals.
In NRW entstand in Büren aus einer ehemaligen NATO-Kaserne der größte Abschiebeknast Europas, 560 Haftplätze sind vorhanden.
Für den Vollzug der Abschiebehaft sind die jeweiligen Landesregierungen zuständig. Somit sehen auch die Haftbedingungen in den verschiedenen
Bundesländern sehr unterschiedlich aus. Manchmal sind die
Abschiebehafteinrichtungen reine Provisorien, an anderer Stelle werden die
Abzuschiebenden in „normale“ Knäste gesperrt. Die meisten Abschiebehäftlinge
wissen nicht, warum sie in einem Gefängnis sind, wollten sie doch nur
menschenwürdig leben. Hier stellt sich für jede an einer(Landes-) Regierung
beteiligten Partei die Frage, inwiefern dies mit ihrem Programm und ihren
sonstigen Aussagen vereinbar ist.
Ein weiteres Instrument der Abschreckung stellen die Sammelunterkünfte dar,
deren Existenz auf der politischen Vorgabe beruht, die Lebenssituation von
Asylsuchenden so zu gestalten, daß diese es vorziehen, in ihr Herkunftsland
zurückzukehren. Sammelunterkünfte werden durch Entscheidungen diverser
Verwaltungsgerichte nicht in Wohngebieten zugelassen, weil sie nicht der
Wohnnutzung entsprechen. Somit ist absehbar, daß eine städtebauliche
Integration nicht verwirklicht werden soll und damit auch kaum die
Möglichkeit sozialer Integration besteht. Die individuellen
Bewegungsmöglichkeiten sind auf ein Minimum reduziert, die Containerbauten
fördern die soziale Stigmatisierung durch den barackenähnlichen Charakter
der Anlagen und die Nichtgestaltung der Außenbereiche. Das Leben der
Flüchtlinge ist beherrscht durch permanente Bevormundung und Schikanen,
beispielsweise Ausweiskontrollen am Eingang.

Im Jahr 2000 fand der sogenannte „Aufstand der Anständigen“ statt. Alle
taten entsetzt über rechtsextreme Gewalt und wieder beruhigte man sich durch
das Aufstellen einiger (Nebel-)Kerzen.
Dieser Rahmen wurde natürlich auch wieder genutzt, um gegen Flüchtlinge
vorzugehen und sich noch weiter abzuschotten. Zwar erklärte Gerhard Schröder
im Juni 2001, daß Einwanderung benötigt werde, wie die „Greencard“-Debatte
jedoch zeigte, nur die von entsprechend „qualifizierten Kräften“. Nach dem
11. September 2001 wurden zwei „Antiterrorpakete“ zeitgleich mit einem neuen
Zuwanderungsgesetz geliebäugelt, das nun vor einigen Wochen in Form eines
rot-grün-schwarzen „Kompromisses“ in Form gegossen und in einigen Wochen
verabschiedet werden wird. Tenor auch hier: Für hoch Qualifizierte wird der
Anwerbestopp aufgehoben, die Regeln zur Einreise und Ausweisung
„gefährlicher“ Ausländer verschärft, sie können künftig auf Grund einer
„Tatsachen gestützten Gefahrenprognose“
abgeschoben werden.

Wir im außerparlamentarischen Kampf müssen weiter nicht nur auf „Mißstände
aufmerksam machen“, sondern das gesamte System bundesdeutscher
Flüchtlingspolitik als das entlarven, was es ist: staatlicher Rassismus.
Grenzen auf – für alle !


(C) 2004 - Alle Rechte vorhehalten

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